Die Natur irrt schon, Till, andernfalls besäße sie einen finiten Anspruch, würde jedes Sinnfeld enthalten. Wie viele Irrwege der Natur gibt es? Ich würde meinen, jedes Lebewesen, das die Evolution, zu der doch auch der Mensch gehört, aussonderte, war ein Irrweg. Wenn es einen Menschen gäbe, der den von Dir beschriebenen Spagat schaffte, dann wäre der ja so etwas wie Gott. Und Gott sollten wir hier ausklammern, nicht weil es ihn gibt/nicht gibt, sondern weil er für naturwissenschaftliche Fragestellungen schon seit einigen Jahrhunderten keine Rolle mehr spielt.
Ich sah kürzlich ein Interview mit dem neuen Stern am Philosophenhimmel, Markus Gabriel, dessen Neu-Existentialismus mir zu großen Teilen (ich lehne allerdings seine bestrittende Differenzierung von Schein und Seyn ab) gefällt und der genau das thematisierte, worum es hier im Augenblick geht, nämlich die Frage, ob die Wirklichkeit Teile besitzt, ob sie erst zusammengedacht werden muß, um als Wirklichkeit erfaßt werden zu können. Machen wir uns nichts vor, in den meisten Köpfen gibt es immer noch eine Trennung zwischen Wirklichkeit und Phantasie/Glauben/Traumwelt. Und die Naturwissenschaftler glauben, sie würden wissenschaftlicher sein, wenn sie Formeln zu entwickeln glauben, mit deren Hülfe sie die Welt zusammenbringen. Die Weltformel! Wir hatten da auch mal ein poetisches Projekt, das wir dann abbrachen, weil wir nicht weiterkamen. Heute weiß ich, woran das lag, nämlich an der irrigen Annahme, daß die Welt naturwissenschaftlich erfaßbar wäre und wir nur zu dumm sind, dies zu bewerkstelligen.
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