Gott und Krieg
1.1 Einführung
Seit dem 11. September und dem Amtsantritt des republikanischen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika George W. Bush häufen sich die Missverständnisse zwischen neuer und alter Welt. Verantwortlich dafür ist, dass die unterschiedliche historische Entwicklung, oder besser gesagt der unterschiedliche Umgang mit Geschichte in der Gegenwart; das differente Glaubenssystem und die darauf aufbauende gesellschaftliche, moralische Zielvorstellung, in Diskussionen rund um die zwei Reizwörter Gott und Krieg außer Acht gelassen werden.
Dieses Versäumnis führt aber nicht weniger zu einem Clash of Zivilisations um dem Pflicht-name-dropping zu genügen, und dann in üblicher Nichtkenntnis des Inhaltes weiter zuschreiben, als die Nichtbeachtung der sogenannten zivilisierten Welt für die islamische Welt. Nur die Äußerung des Konflikts ist eine andere, nämlich eine dumpfe, ignorante, ja selbst arrogante Ablehnung der jeweilig anderen Volksmasse und Volkselite.
Am Ende des Anfangs muss des weiteren noch in aller Klarheit gesagt werden, dass die Größe des Themas verhindern wird, dass man zu einem Ergebnis gelangt. Nichts desto trotz verliert das bloße Aufdecken der kollidierenden Geistesströmungen, deren Verwebungen und Verstrickungen, deshalb keinesfalls an Wichtigkeit.
1.2
Der Glauben hat in den Vereinigten Staaten einen viel höheren Stellenwert als in Kontinentaleuropa. So gaben in einer 1994 veröffentlichten Studie 82 % der befragten Amerikaner an, dass sie sich für eine religiöse Person hielten. In Frankreich waren es zum Vergleich 48 % und in Westdeutschland 52%. (Quelle Giddens 501)
Allein genügt dieser betr?chtliche, quantitative Unterschied noch lange nicht, um die gegensätzliche, gesellschaftliche religiöse Ausrichtung auch nur im Kern zu verstehen, denn wirklich dominiert wird diese Divergenz von qualitativen Faktoren.
Auch der Versuch der neueren, europäischen Linken- so zum Beispiel Ignacio Ramonet in dessen Leitartikel der Dezemberausgabe von Le Monde diplomatique wörtlich: Diese Wiederwahl ist ein beunruhigender, ja schockierender Vorgang. Sie bestätigt, dass die Demokratie die Machtübernahme gefährlicher Demagogen nicht verhindern kann. Beunruhigend ist vor allem, dass ausgerechnet George W. Bush, dessen religiöser Fundamentalismus, intellektuelle Mittelmäßigkeit und mangelhafte Bildung kein Geheimnis sind,.. die Kluft im Präsidenten zu personalisieren und zu polemisieren, greift zu kurz.
Fakt ist vielmehr, dass die Religion in den USA immer identitätsstiftend war und ist, im Gegensatz zu Europa, wie später gezeigt wird.
So zählt zu den attraktivsten und allgegenwärtigsten Gründungsmythen jenes der Pilgramfathers, welches in der verklärtesten Form in etwa so lautet: In kleines Grüppchen floh auf einer Nussschale vor der Unterdrückung aus ihrer Heimat, durchschnitt die Sturmböen des Atlantiks, und trotzte mit blanken Händen, aber im festen Gottvertrauen, der Wildnis und den Wilden eine Zivilisation ab.
Des weiteren waren auch viele der unantastbaren Säulenheiligen der Vereinigten Staaten zu tiefst religiöse Männer, und so verwundert es kaum, dass dies auch in ihre Arbeit; wahrscheinlich hätten sie wohl das Wort Berufung gewählt - einfloss.
George Washington unterschrieb seine erste Thanksgiving Verkündung am eben 26. November mit, dass jener, be devoted by the people of these States to the service of that great and glorious Being who is the beneficent author of all the good that was, that is, or that will be; that we may then all unite in rendering unto Him our sincere and humble thanks for His kind care and protection of the people of this country previous to their becoming a nation. (National Journal Seite 14)
Thomas Jefferson wiederum betrachtete Jesus als den wirkungsvollsten politischen Philosophen und Denker, was George W. Bush dann, um sein historisches Wissen unter Beweis zu stellen, zitierte. Jefferson veröffentlichte sogar ein Buch mit dem Titel: The Life and Morals of Jesus of Nazareth: Extracted Textually From the Gospels in Greek, Latin, French, and English. (ebenda)
Diese drei Beispiele sind nun eben aber nicht nur willkürlich, wahllos gewählte aus einer längst vergangen Zeit , die für die Gegenwart keinerlei Bedeutung mehr hat, sondern sind Mosaiksteinchen, einer amerikanischen Kultur, in republikanisch, puritanischer Tradition, die durch die Schockwirkung des Terrorangriffes und ihrer daraus gewonnen Meinungshoheit und beinahe Meinungsausschließlichkeit , dominanter und offensichtlicher zu Tage tritt als jemals zuvor.
Das außergew?hnliche an dieser Kultur ist ihre relativ, ungebrochene Entwicklung über einen Zeitraum von mehreren hundert Jahren, und ihre Fähigkeit alle Partiale einer Gesellschaft, egal ob die private Sph?re des Individuums, oder die öffentliche Sphäre, natürlich inklusive Politik und Wirtschaft, in einem hohen Maß in einem System zu bestimmen. Beides ist für Europäer ungewohnt und deshalb wird die Tragweite gerne unterschätzt. Was überdies zum Unverständnis beiträgt ist, dass das Vokabular zwar scheinbar das Selbe ist, aber die eigentlichen Wortbedeutungen von Begriffen wie Freiheit, Gleichheit oder auch Gerechtigkeit grundverschieden sind.
Nährboden dieser Kultur ist, wie oben bereits erwähnt, der Glauben. Max Weber hat in seinen Aufsätzen zur protestantischen Ethik und dem Geist des Kapitalismus verbindende Elemente, der unzähligen protestantischen Bewegungen- denn die amerikanische Kirchenlandschaft gleicht einem Fleckenteppich-, wie folgt erkannt: Des Verhältnis des Gläubigen zu Gott ist vorherbestimmt, d. h. prädestiniert, wobei es eher heißen müßste: der Gläubigen zu Füßen Gottes denn:
Nicht Gott ist um der Menschen, sondern die Menschen sind um Gottes willen da, und alles Geschehen - also auch die für Calvin zweifellose Tatsache, dass nur ein kleiner Teil der Menschen zur Seligkeit berufen ist - kann seinen Sinn ausschließlich als Mittel zum Zweck der Selbstverherrlichung von Gottes Majestät haben. Maßstäbe irdischer Gerechtigkeit an seine souveränen Verfügungen anzulegen, ist sinnlos und eine Verletzung seiner Majestät, da er, und er allein, f r e i, d. h. keinem Gesetz unterstellt ist, und seine Ratschlüsse uns nur soweit verständlich und überhaupt bekannt sein können, als er es für gut befand, sie uns mitzuteilen. (Weber Seite 92)
Und weiter unten:
Anzunehmen, dass menschliches Verdienst oder Verschulden dieses Schicksal mitbestimme, hieße Gottes absolut freie Entschl?sse, die von Ewigkeit her feststehen, als durch menschliche Einwirkung wandelbar ansehen: ein unmöglicher Gedanke. (Weber Seite 93)
Was für den einzelnen und sogar für die Mehrzahl der einzelnen recht bedauerliche Konsequenzen mit sich bringt, hat für die Gesellschaft eine weites Spektrum an Folgen, die jetzt näher beleuchtet werden.
Zum einem führt es zu einer unerhörten Vereinsamung des einzelnen Individuums. Jeder Mensch ist zuerst grundsätzlich alleine mit sich und Gott. Kein Mensch kann einem helfen Erlösung zu erlangen. Es gibt keine Absolution oder auch nur eine Art von rettendem Mitgefühl. Auf diese Herausforderung, auf dieses Zurückgeworfenwordensein auf sich selbst antwortete später die amerikanische Gesellschaft mit einer Stilisierung des Alleinseins, was Bellah den Mythos vom Individualismus nannte, und der uns vor allem in der Kunst begegnet.
So schreibt Bellah: Diese Verpflichtung zur Einsamkeit ist ein Schlüssel zur amerikanischen Moralidee. Aber er gehört auch zur Vieldeutigkeit des amerikanischen Mythos vom Individualismus, dass das moralische Heldentum immer nur einen Schritt von der Verzweiflung entfernt ist. Für einen Ahab und gelegentlich auch für einen Cowboy oder einen Detektiv gibt es keine Rückkehr zur Gesellschaft, keine moralische Wiedergutmachung. Die einsame Suche des Helden nach moralischer Vortrefflichkeit endet im absoluten Nichts.
Zum anderem, obgleich das Schicksal von Beginn an besiegelt, wird der Zweifel am Schicksal zur stärksten Triebfeder des Gläubigen.
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erstes Essay oder sowas in der Art noch in der Werkstatt hier mal der Anfang
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